Droht ein Blackout in Nürnberg durch die Energiekrise? Und was sind die Alternativen? Trotz der Hitze im Sommer 2022 mache ich mir Gedanken. Denn durch Blackout wären speziell pflegebedürftige Menschen in Gefahr. Daher mache ich mich in meinem Urlaub auf den Weg und schaue hinter die Kulissen. In diesem Gastbeitrag mit Video erfahren Sie mehr zur Situation rund um die Stromversorgung in und für den Großraum Nürnberg.
Als Medizintechniker weiß man, dass ein Stromausfall für Menschen zahlreiche Folgen hat. In Deutschland ist derzeit fast jeder 20. Einwohner auf Pflege angewiesen. Neben Licht und Kochfeld versorgt elektrischer Strom zu Hause immer öfter auch Geräte für die Heimpflege. Ich stelle bei meinen Recherchen und Nachfragen fest, dass vielen nicht bekannt ist, wie viele pflegebedürftige, beatmete oder dialysepflichtige Menschen zu Hause leben. Bei längerem Stromausfall würden betroffene Menschen leiden oder kurzfristig versterben. Bei einer Nachfrage in einem Rathaus wurde mir mitgeteilt, dass bei Stromausfall das Versterben von Menschen schlichtweg erwartbar ist. Zugleich war dort keinerlei Datenlage dazu vorhanden. Daher machte ich mich auf zu einer Recherche zum Thema: Blackout in Nürnberg
Wie viele nennenswerte Kraftwerke haben wir in Nordbayern?
Das einzige, nennenswerte Kraftwerk im Großraum Nürnberg ist Franken I in Nürnberg Gebersdorf. Es handelt sich um ein Gaskraftwerk mit ca. 800MW Leistung. Bei Insidern wird es als Mutter der GuD-Kraftwerke bezeichnet. Es nutzt die Energie aus Gas sehr effizient. Und kann in Notlagen auf leichtes Heizöl umgestellt werden. Als Notreserve stehen neben dem Kraftwerk drei große Speicher mit insgesamt 24.000 Tonnen leichtem Heizöl. Ich hoffe, dass im Notfall diese Speicher über eine unterirdische Pipeline versorgt werden. Denn sonst bräuchte man ca. 730 Tanklastzüge oder ca. 450 große Tankwaggons um die Behälter nachzufüllen. Meine Berechnung, wonach die dortige Reserve von 24.000 Tonnen Heizöl ohne Nachschub lediglich für nur eine Woche Vollbetrieb reicht, wird mündlich bestätigt.
Welche Kraftwerke um Nürnberg wurden bisher abgeschaltet?
Ich werfe einen Blick auf die Karte der Kraftwerke in Nordbayern. Und ich finde keine aktiven Kohlekraftwerke. Die Kohlekraftwerke bei Frauenaurach und Arzberg wurden vor fast 20 Jahren stillgelegt und abgerissen. Nun forciert die Bundesregierung übergangsweise den Einsatz von Kohlekraftwerken. Ich frage mich, wie wir in Nordbayern auf Kohle setzen sollen? Denn wir haben dafür gar keine Kraftwerke (link Umweltbundesamt). Alternativ dazu steht bei Ingolstadt ein Ölkraftwerk im StandBy. Seine Blöcke 3 und 4 wurden von der Bundesnetzagentur als systemrelevant eingestuft. Daher wird die Stilllegung seit 2015 verhindert. Das Ölkraftwerk Ingolstadt kann aus Block 3 und 4 je ca. 386MW liefern (link wikipedia). Ölkraftwerke gelten jedoch als enorm umweltschädlich. Die schaltbare Anbindung an Nürnberg läuft direkt über eine 380kV-Trasse durch das Umspannwerk Raitersaich im Landkreis Fürth (link vdi).
Haben wir in Nordbayern Gasspeicher?
Demnach bleiben lediglich das Gaskraftwerk und das Müllkraftwerk in Nürnberg zur lokalen Versorgung bei Dunkelflaute. Somit wäre gegen die mögliche Gasmangellage ein Gasspeicher interessant. In den 1960er Jahren wurde in Eschenfelden östlich von Nürnberg ein unterirdischer Gasspeicher errichtet. Er fasst ca. 60 Mio. Kubikmeter Gas. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wurde dieser im April 2021 still gelegt (link). Somit hat der Großraum Nürnberg keinen nennenswerten Gasspeicher mehr. Das Gas im Großraum Nordbayern wird „just in time“ geliefert und verbraucht. Zugleich wird bei Stromengpass vermehrt auf das Gaskraftwerk Irsching gesetzt, welches über die 380kV-Leitung Irsching-Ingolstadt-Raitersaich an Nürnberg gekoppelt ist. Die Modernisierung dieser Leistung für erhöhte Anforderungen ist jedoch erst in 2023 geplant.
Können wir gegen blackout in Nürnberg Stom speichern?
Ende der 1950er Jahre wurde in Happburg im Nürnberger Land ein Pumpspeicherkraftwerk errichtet. Es kann 840MW/h Stromleistung speichern. Leider ist dieses Pumpspeicherkraftwerk seit über 10 Jahern trocken. Die Genehmigung und Finanzierung der Sanierung zieht sich seit Jahren hin (link uniper). Ich bin von der Dimension der Anlage beeindruckt. Denn sie könnte gegen einen Blackout in Nürnberg viel beitragen. Zudem könnte überschüssiger Strom aus regenerativen Anlagen umweltschonend gespeichert werden. Auf der Rückfahrt begleitet mich entlang der Straße lange die zugehörige Hochspannungsleitung. Und ich wundere mich, dass im Jahr 2022 die Sanierung von Happburg in der Energiekriese nicht stärker diskutiert wird.
Wem gehören die Kraftwerke und Energiespeicher?
Bei der Recherche kam zu Tage, dass das Gaskraftwerk Franken I, das Pumpspeicherkraftwerk Happburg, der Porenspeicher Eschenfelden, das Ölkraftwerk Ingolstadt und zahlreiche Wasserkraftwerke im Besitz des Unternehmens Uniper sind. Bundesweit gehören dem Unternehmen mehr als 100 Kraftwerkseinheiten mit einer Nettoleistung von mehr als 8GW. Einige Kraftwerke bestehen aus mehreren Einheiten. Das Speicherkraftwerk Happurg hat zum Beispiel vier Einheiten. Aus Bayern gehören ca. 90 Kraftwerkseinheiten mit einer Nettoleistung von ca. 3GW zu Uniper. Mehr als 80 Einheiten davon nutzen als Energieträger Wasser. Das Unternehmen entstand im Jahr 2016 aus der Abspaltung von E.ON (link wikipedia).
Die Versorgungssicherheit bei Ladesäulen und Elektromobilität
Gemäß den Gedanken Einiger soll die Mobilität in Zukunft rein elektrisch werden. Ist zur aktuellen Netzlastberechnung bekannt, wie viele privat installierte wallboxen in Stadt und Land am Netz sind? Bei den öffentlichen Ladesäulen ist Bayern ein Spitzenreiter (link statista). Dagegen ist die Anzahl von Ladesäulen in privaten Haushalten nicht genau bekannt. Mehrere tausend Ladesäulen mit jeweils mehreren kW an Bedarf werden nun auf unser Stromnetz treffen. Laut dem VDE helfen gegen lokale Stromengpässe gut ausgebaute Netze. Sowie eine intelligente Steuerung der Verbraucher (link vde). Das Problem ist nur: Wir haben derzeit weder das Eine noch das Andere. Unsere Infrastruktur ist über Jahrzehnte gewachsen. Speziell ältere Ortstrafos sind für die neuen Lastanforderungen mit erhöhter Rückspeisung und erhöhtem Verbrauch nicht ausgelegt. Die Folge werden zeitweise, lokale Abschaltungen sein. Darauf ist speziell die alternde Bevölkerung nicht vorbereitet.
Haben Flußpegel Einfluss auf Risiko Blackout in Nürnberg?
Ersatzweise ist die Stromerzeugung mit Kohle geplant. Seit Jahren werden Kohlezechen in Deutschland geschlossen. Bereits im Jahr 2011 war ich hierzu am saarländischen Kohlekraft Quierschied (link). Dafür wird Kohle aus fernen Ländern importiert. Die Hälfte des deutschen Verbrauchs wurde bisher aus Russland gedeckt (link destatis). Viel Kohle kommt aus Osteuropa oder sogar Australien. In 2022 wird vermehrt Getreide aus Osteuropa über Binnenflüsse transportiert. Dies bindet Kapazitäten der Frachtschiffe (link vdi). Zugleich werden Niedrigpegel auf Rhein und Elbe häufiger. Daher kann benötigte Kohle für Alt- und Reservekraftwerke nicht ausreichend zu den Kraftwerken transportiert werden. Ich stelle jedoch bereits weiter oben fest, dass im Großraum Nürnberg kein Kohlekraftwerk mehr vorhanden ist.
Würde Atomstrom dem Großraum Nürnberg helfen?
Laut meiner Recherche hat Atomstrom in Deutschland einen Anteil von ca. 10%. In Bayern liegt der Anteil an Atomstrom laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik bei 27% (link). Doch Neckarwestheim in Baden-Württemberg und Isar 2 bei Landshut sind zur Abschaltung geplant. Somit haben Gaskraftwerke in Bayern einen Anteil von 15,9%. Insgesamt könnte erheblich Kraftwerksleistung in Bayern fehlen. Rein rechnereisch vergrößerst sich so das Risiko für einen blackout in Nürnberg. Auf bundesebene wurden alle vier Netzbetreiber für einen ersten und zweiten Stressbest beauftragt. Denn die zusätzliche Last durch tausende von Heizlüftern wurde zuerst nicht berücksichtigt. Und in der Pressekonferenz zum Stresstest wurden tatsächlich Mahnungen vor Engpässen laut. Die vollkommen veränderte Lage bei Stromerzeugung und Stromverbrauch macht den vorübergehenden Weiterbetrieb der Kernkraftwerke notwendig.
Wie steht es um die Hochspannungsnetze?
Ich denke an ein Gespräch zwischen welt.de und dem energiepolitischen Sprecher der FDP Bundestagsfraktion, Michael Kruse (link). Wir verbrauchen in Bayern mehr Strom als im Bundesland erzeugt wird. Und rein rechnerisch könnte bereits eine Umstellung der Heizwärme von Gashaushalten auf Elektro einen zusätzlichen Bedarf von 400MW erzeugen. Und das allein in Mittelfranken. Laut Bundesnetzagentur verfügt Bayern über nur wenige Reservekraftwerke. Die meisten davon werden mit Gas oder Öl betrieben (link). Daher muss unser Bundesland vermutlich Strom importieren. Moderne Trassen können mehrere GigaWatt transportieren. Doch Vieles dazu steckt noch immer in langwieriger Planung. Wie steht es um die Belastbarkeit unserer bestehenden Hochspannungsnetze nach Nordbayern im Krisenfall? Die Karte der Trassen dazu finden Sie hier (link Karte Hochspannungsnetz vde).
Einwohner und Anzahl der Haushalte
Aktuell steigt der Begriff Heizlüfter bei Suchanfragen im Internet massiv an (link google trends). Baumärkte und online-shops stellen eine erhöhte Nachfrage fest. Denn fast die Hälfte der Haushalte in Deutschland nutzt Gas zur Wärmeversorgung (link 1 statista) (link 2 destatis). Bundesweit haben wir ca. 40 Millionen Haushalte (link statista). Und das bedeutet, dass fast jeder zweite Mensch in Deutschland alleine lebt. Allein der Bezirk Mittelfranken hat ca. 876.000 Einwohner (link). Dies entspräche demnach theoretisch ca. 400.000 Haushalten mit Gasversorgung.
Erhöhen Heizlüfter das Risiko für blackout in Nürnberg?
Bei einer Pflegequote von 5% sind in Mittelfranken ca. 43.800 pflegebedürftige Menschen zu erwarten. Nur ein fünftel davon lebt in Pflegeheimen. Denn der Großteil lebt zu Hause. Für Pflegeheime haben einige Städte und Gemeinen Notstromaggregate beschafft. Laut amtlicher Statistik hat die Landbevölkerung in Ost- und Nordbayern überdurschnittlich viele Ölheizungen. Die meisten davon haben keine Notstromversorgung. Bei Stromausfall wird die Elektrik dort nicht funktionieren. Und gerade in den Städten nutzen viele Menschen Gasheizungen. Bei Gasengpass würden viele auf Heizlüfter umsteigen. Somit könnte es städtisch zu lokalen Stromengpässen durch überlastete Ortstrafos kommen. Und ländlich zum Ausfall von Öl- oder Holzheizungen mangels Strom für die Elektrik.
Fazit zum Thema blackout in Nürnberg
Im Durchschnitt leben pro Haushalt ca. 2 Personen. Mittelfranken hat ca. 876.000 Einwohner. Ca. 43.8000 Menschen davon sind bei einer Pflegequote von 5% pflegebedürftig. Einige davon sind auf elektrische Geräte angewiesen. In den letzten Jahrzehten wurden sowohl Großkraftwerke als auch Energiespeicher im Raum Nürnberg stillgelegt. Produktion und Verbrauch von Strom hat sich massiv verändert. Die Infrastruktur hält damit nicht Schritt. Somit steigt das Risiko für und durch Blackout in Nürnberg sowohl durch Zunahme der Wahrscheinlichkeit als auch durch Schadenauswirkung. Besonders die Unwissenheit einiger Behörden über Datenlagen macht mir Sorgen. Die Konsequenzen besonders für zu Hause gepflegte Menschen sind dramatisch und zugleich vorhersehbar. Örtliche Leuchttürme und Anlaufstellen wären notwendig. Ebenso wie eine zentrale, lokale Erfassung von Menschen mit Pflege zu Hause. Aus meiner Sicht machen Nachbarschaftshilfen und Bürgernetzwerke Sinn. Zudem bin ich der Meinung, dass Behörden und Amtsträger in Stadt und Land große Verantwortung haben, um Datengrundlagen zu beschaffen. Denn auch wenn ein blackout in Nürnberg nicht kommt. Die Fakten zu Energie und Demografie bleiben.
updates und Ergänzungen zum Beitrag blackout in Nürnberg
Rechtsgrundlage Erdölbevorratungsgesetz, ErdölBevG (link)
update 2022-07-26 Der Fall Hofheim-Lorsbach zeigt, welche konkreten Folgen der Ausfall der Gasversorgung hat link
Pressebericht Juli 2023, BR24, Notkraftwerke, https://www.br.de/nachrichten/bayern/neues-notkraftwerk-300-millionen-watt-gegen-den-blackout,TlTcZiP
update 2022-07-28, nach Seite 9 der Statistik Q1/2022 vom BayLandesamt sieht die Lage noch schlechter aus. 34% Atomstrom und fast 30% aus Gas link
Quelle Grafik Visualisierung Ölheizung nach Regierungsbezirk (link)