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Besuch am Steinkohlekraftwerk Weiher, Quierschied, Saarland

Meine Tätigkeit für den TÜV Rheinland führt mich heute in das schöne Saarland. Ich besuche das Kraftwerksgelände am Steinkohlekraftwerk Weiher bei Quierschied. Und ich erkunde das stillgelegte Abbaugebiet für Steinkohle.

Die Geschichte der Grube Göttelborn beginnt im Jahr 1446. Über viele Jahrhunderte wurde im Saarland Kohle abgebaut. Die Saarkohle galt als sicher. Im Jahr 1918 nahm zudem das Steinkohlekraftwerk Weiher (link Wikipedia) direkt neben der Grube Göttelborn (link Wikipedia) seinen Betrieb auf. Die Stromversorgung begann mit 5MW. Was heute für eine Kleinstadt mit 10.000 Einwohnern reichen würde. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Leistung auf 25MW erhöht. Mitte der 1960er Jahre gingen zwei Blöcke mit je 150MW in Betrieb. Im Jahr 2006 wurde der Block III auf fast 700MW Leistung optimiert. Und sichert damit für ca. 1 Millionen Einwohner die Stromversorgung. Der Block III ist auch im Jahr 2011 weiterhin in Betrieb.

Das AUS der Saarkohle. Lieferung von Australien per Bahn

Der stillgelegte Steinkohleförderturm über dem mit Beton verschlossenem Schacht im Jahr 2011

Im Gespräch vor Ort erfahre ich, dass im Jahr 2000 das direkt benachbarte Abbaugebiet für Steinkohle geschlossen wurde. Aus Kostengründen. Denn laut meinem Gesprächspartner sei es angeblich günstiger, die Kohle aus Russland oder Australien per Bahn zu beschaffen. Daher rollen nun Güterzüge mit Kohle an den Vorratsbunker des Kraftwerks Weiher. Um die Versorgung des Kraftwerks und die Erzeugung von fast 700MW elektrischer Leistung sicher zu stellen. Dafür verfügt das Steinkohlekraftwerk Weiher über einen eigenen Gleisanschluss. Der Kohlevorrat des Steinkohlekraftwerks Weiher reicht für ca. einen Monat.

Abbauschacht mit Betondeckel verschlossen

Steinkohlekraftwerk Weiher, Saarland im Nebel, Revisionsarbeiten 2011

Die Grube Göttelborn hatte in seinen besten Zeiten ein unterirdisches Streckennetz von fast 100km. Beim Spaziergang im umliegenden Wald warnen immer wieder Hinweisschilder vor möglicher Einsturzgefahr oder Absackungen des Bodens. Es ist für mich schwer nachzuvollziehen, wie jahrhunderte alte Bergwerkstradition so plötzlich endet. Und mit einem dicken Betondeckel schlichtweg versiegelt wird. Was ist, wenn sich die Zeiten ändern? Wenn die liefernden Länder keine Kohle mehr für Deutschland bereitstellen? Haben wir einen Plan B um die Stromversorgung in Deutschland selbst sicherzustellen?

Solarkraftwerk mit 8MW Leistung, Renaturierung

Solarkraftwerk Göttelborn mit 8MW Leistung im Jahr 2011

In der Nähe des Förderschachts wurde weitläufig der Abraum aufgeschüttet. Ich gebe zu, das Abraumgelände sieht wenig einladend aus. Nur wenig Bewuchs. Kahl und karg. Nur wenige Pflanzen kämpfen sich bisher durch die Erde. Vereinzelt liegen kleine Bruchstücke Steinkohle herum. Auf dem Gelände finde ich zudem eine Solaranlage. Sie liefert an sonnigen Tagen bis zu 8MW elektrische Leistung. Das ist für eine PV-Anlage im Jahr 2011 relativ viel. Im Vergleich zum benachbarten Steinkohlekraftwerk Weiher mit fast 700MW wirkt dies jedoch relativ gering. Der Wirkungsgrad eines modernen Steinkohlekraftwerks liegt bei ca. 40%. Dies bedeutet, dass ca. 60% der eingesetzten Kohle durch Prozessenergie und Abwärme verloren gehen. Der notwendige Energieaufwand um die Kohle aus Australien oder Russland per Schiff oder Bahn zu importieren dürfte ebenfalls immens sein. Kann das eine Solaranlage über dem stillgelegten Fördergebiet ansatzweise ausgleichen?

Lieferung um die halbe Welt per Bahn statt per Förderband

Dem Verfall überlassenes Gebäude auf dem Kraftwerksgelände Weiher bei Quierschied im Jahr 2011

Das Steinkohlekraftwerk Weiher im Saarland liefert ca. 700MW elektrische Leistung. Dies entspricht je nach Berechnung dem elektrischen Bedarf von 1 Mio bis 1,5 Mio Einwohnern. Dafür sind wöchentlich Güterzüge voll Kohle mit notwendig. Bis zum Jahr 2000 wurde die notwendige Kohle dafür direkt aus der danebenliegenden Bergbaugrube Göttelborn geliefert. Kurze Wege per Förderband. Entsprechend gering war der Aufwand für den Transport. Nun erfolgt die Versorgung durch Kohle mit Güterzügen. Mit Kohle aus fernen Ländern. Hierdurch entsteht erheblicher Mehraufwand für den Transport um den Globus. Und laut Gesprächspartner vor Ort auch für die zusätzliche Trocknung der importierten Kohle. Denn laut ihm habe die importierte Kohle einen etwas höheren Feuchtegehalt.

Mein Fazit zum Besuch am Steinkohlekraftwerk Weiher im Saarland

Ich verstehe, dass wir einen Wechsel zu erneuerbaren Energien brauchen. Neben CO2 emittieren Kohlekraftwerke auch weitere Schadstoffe. Einige davon können gefiltert werden. Andere entweichen in die Luft. Und können zu Belastung für Mensch und Umwelt werden. Aber ist es sinnvoll wegen ein paar Jahren weiteren Betrieb jahrhunderte alten Bergbau unwiderruflich zu schließen? Und stattdessen Kohle per schwerölbetriebenem Frachtschiff und dieselbetriebenem Güterzug zu importieren? Wie werden wir in Zukunft solche Energiemaßnahmen rückblickend bewerten?

update Sommer 2022: Energiekrise, video

In diesem Video wird auch meine Reise nach Quierschied kurz erwähnt. 11 Jahre nach dem Besuch.

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6 Gedanken zu „Besuch am Steinkohlekraftwerk Weiher, Quierschied, Saarland

  1. […] Kohlezechen in Deutschland geschlossen. Bereits im Jahr 2011 war ich hierzu am saarländischen Kohlekraft Quierschied (link). Dafür wird Kohle aus fernen Ländern importiert. Die Hälfte des deutschen Verbrauchs wurde […]

  2. […] handelt sich in Quierschied um ein Stein-Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 680MW. Dieses Bild entstand im Sommer 2011, während das Kraftwerk in […]

  3. […] Bedenken um die Zuverlässigkeit unserer Stromversorgung zu. Schon im Jahr 2011 wurden im Saarland (link) und am Neckar (link) beim Autor Bedenken laut. Sowohl auf deutscher als auch auf europäischer […]

  4. […] Energie. Ein Besuch eines Kohlekraftwerks im Saarland besorgte mich bereits im Jahr 2011 (link). Dann musste ich 2021 im Ahrtal miterleben, dass es selbst Monate nach der Katastrophe keinen Plan […]

  5. Meines Erachtens ist es so, dass die Mehrheit keine Ahnung hat, wieviel Energie in D überhaupt gebraucht wird. Geschweige denn wie diese durch regenerative Energien ersetzt werden soll.

    Alles muss mit einer Berechnung beginnen und wir müssen eine Energiebilanz schaffen. Leider fängt es schon damit an, dass viele unserer Entscheider keine Ahnung / Ausbildung im entsprechenden Sektor nachweisen können.

  6. […] Kohle im Boden liegen lassen. Und uns auf die Lieferung von Kohle aus dem Ausland verlassen (link Beitrag Steinkohlekraftwerk Weiher). Wie werden wir die Dinge in ein paar Jahren wohl […]

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