Veröffentlicht am 2 Kommentare

Lösung für CO2-Problem in Schulen Pandemie 2020

Lesedauer ca. 10 Minuten. Im Sommer / Herbst 2020 wurden durch die Politik Forderungen laut, die Schulklassen in Bayern mit CO2-Messgeräten auszustatten. Thematisch passend sprach man bald von CO2-Ampeln. Aber sind diese CO2-Ampeln wirklich der Schlüssel für sicheren Schulbetrieb? Lassen Sie uns gemeinsam ein paar Aspekte hinterfragen. Auf die folgenden Punkte wurde der Autor im Rahmen eines mehrwöchigen Recherche- und Selbstbauprojekts aufmerksam. Beitrag mit Video.

Die Verfügbarkeit von CO2-Ampeln

So schnell wie die Entscheidungen von landes- oder bundespolitischen Maßnahmen nach außen derzeit auch aussehen mögen: Die Umsetzung im Verwaltungsapparat dauert. Bis auf die kommunale Ebene ist es ein weiter Weg. Beschlüsse und Verordnungen müssen erst verstanden und dann auch umgesetzt werden. Die zuständigen Personen im Rathaus mussten die Vorgaben erst ermitteln und prüfen. Dementsprechend bestellten im Herbst / Winter dann viele Schulen fast zeitgleich CO2-Ampeln. Somit sind viele Händler ausverkauft. Zugleich machen sich etablierte Online-Händler mit einem extrem schnell wachsenden Sortiment für die Nachfrage startklar. Doch auch das braucht seine Zeit. Somit sind viele Angebote derzeit nicht lieferbar.

ELKOBA hat sich im Jahr 2020 selbst ein CO2-Messgerät entwickelt.

Die Qualität aktueller CO2-Ampeln insgesamt

Viele Anwender elektronischer Geräte nehmen an, dass die angezeigten Werte immer richtig sind. Doch das ist zu kurz gedacht. Die angezeigten Werte müssen durch Kalibration geprüft werden. Durch den Hersteller oder eine Prüfstelle. Rein technisch besteht eine CO2-Ampel – oder CORONA-Ampel – aus vier Komponenten: Stromversorgung / Sensor / Auswerte-Einheit / Anzeige. Das Rathaus wird von der Landesregierung mit einer Kostenvorgabe konfrontiert. Diese beträgt auf den Schüler gerechnet ca. 7 Euro. Förderzuschuss mal Schüler pro Klasse = förderfähiger Gesamtbetrag. Zugleich wird auf die Optierung zur günstigsten Beschaffungsquelle verwiesen. In meiner Recherche habe ich keine Vorgaben zur Qualität, Messgenauigkeit oder Reparaturfähigkeit der CO2-Ampeln für bayerische Schulen gefunden. Auch von einer Rekalibration oder regelmäßigen Kontrolle der angezeigten Messwerte ist mir nichts bekannt. Selbst der Verweis auf ein CE-Kennzeichen, die Einhaltung von anerkannten Regeln der Technik oder die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Bedienungsanleitung fehlt. Somit besteht die Gefahr, dass sich der Sachaufwandsträger ohne Prüfung von weiteren Parametern für das günstigste Angebot entscheidet.

Die Qualität der Messeinheit und der Messgenauigkeit

Quelle: https://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7115/lueften-in-schulen.html

Für eine gute CO2-Ampeln sind sowohl der Sensor als auch die Auswerte-Einheit entscheidend. Die Vorgabe des bayerischen Kultusministeriums im Jahr 2020 ist sehr grob gefasst. Die weitere Recherche zur bayerischen Förderrichtlinie 2231-A (link extern) führt zu folgender Information:

Quelle: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVV_2231_A_11527-6

Die in dieser Förderrichtline genannten Forderungen sind rein theoretischer Natur. Auf technische und praktische Probleme wird nicht eingegangen. Ich habe dazu einen Selbstversuch gestartet. Der Verweis in der Richtlinie auf die Surrogat-Parameter ist fachtheoretisch richtig. Die Raumluft mit 1.000ppm CO2 ist erträglich. Aber führt bereits zu erhöhtem Infektionsrisiko durch Aerosole. Ein Raumluftgehalt von 2.000ppm ist sehr unangenehm. Und erhöht bereits massiv die Wahrscheinlichkeit von Krankheitsübertragung durch die Luft. In Rücksprache mit Fachkräften aus der Praxis stellt sich heraus: Ein Anstieg des CO2-Gehalts über 1.000 ppm sollte generell in gemeinsamen Räumen unterbunden werden. Und es ist in der Fachwelt bekannt, dass Einwirkzeit plus Keimkonzentration sowohl das Infektionsrisiko als auch Infektionsschwere mit bestimmen.

Viele praktische Fragen bleiben in der Richtlinie offen

Das beginnt schon mit der Positionierung des CO2-Sensors in der CO2-Ampel selbst: Ist der Sensor im Gerät an einer intern gut belüfteten Stelle montiert? Wird der CO2-Sensor aktiv mit Luft durchspült? Oder beruht er auf dem Diffusionsverfahren? Wie ist die Trägheit des Sensors? Wird dies in der Auswerte-Einheit mit berücksichtigt? Wird in der Anleitung auf Kalibrationsphasen oder Toleranzen hingewiesen? Wie wurden die ermittelten Messwerte durch Hersteller oder benannte Stelle geprüft? Oder um es einfach zu schreiben: Wer kontrolliert die Qualität der CO2-Ampeln? Hierzu finden sich keine Vorgaben.

Der Antrag für die Kommune für CO2-Ampeln

Kommen wir nun zum Antrag der Beschaffung. Mittels diesem Antrag wird die finanzielle Förderung z.B. durch das hiesige Rathaus vom Markt Roßtal beim zuständigen Bezirk Mittelfranken beantragt. Im Antrag (link) wird von CO2-Sensoren gesprochen. Das ist in der Wortwahl falsch. Der Sensor ist per Definition lediglich das Bauteil zur Detektion von CO2. Beschafft werden soll jedoch nicht der Sensor einzeln. Sondern das komplette Gerät. Der einzelne Sensor kann zum Beispiel der preiswerte MH-Z19B sein. Dieser ist sehr günstig. Wird aktuell jedoch aufgrund Lieferengpass preislich teils stark überhöht von den Bauteilhändlern angeboten. Dann gibt es noch den SCD30 von Sirion. Oder den hochwertigen CO2-Sensor T6615 vom Hersteller Amphenol. Alle drei sind einzelne Bauteile zur Detektion von CO2. Und keine vollständigen Geräte. Bereits der Bauteilbegriff Sensor und Gesamtbegriff Gerät müssten im Antrag besser unterschieden werden.

Unschärfe bei Begrifflichkeit und Definition der Qualität

Es geht aber auch billiger. Denn mit einfachen Gas-Sensoren ist es technisch möglich, den CO2-Gehalt anhand von Rückrechnungen abzuschätzen. Ohne den CO2-Wert direkt zu messen. Das Stichwort ist „TVOC“ und „eCO2“. Aber bleiben wir bei den Grundlagen. Wie gesagt: Das Antragsformular geht von CO2-Sensoren und nicht von kompletten Geräten aus. Ein CO2-Sensor allein ist lediglich das einzelne Bauteil. Ein komplettes Gerät würde professionell und auch entsprechend teuer als CO2-Messgerät bezeichnet werden. Einfache Geräte werden derzeit landläufig als CO2-Ampeln oder CORONA-Ampeln bezeichnet. Allein die Wortwahl im Formular des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultur ist schwammig. Man bekommt den Eindruck, dass es an technischem und qualitativem Verständnis beim Ersteller mangelt.

Die regelmäßige Kontrolle der CO2-Ampeln

Wer prüft regelmäßig die CO2-Ampeln?

Die CO2-Ampel ist im Regelfall ein elektrisch betriebenes Gerät. Und elektrisch betriebene Geräte in gewerblich oder schulisch genutzter Umgebung erfordern eine gewissen Sorgfalt. Sie kennen sicher die regelmäßige elektrische Prüfung von Geräten mit Stecker. Manchmal auch bekannt als E-Check. Besser bezeichnet als Prüfung nach DGUV V3. Dies betrifft zuerst die Stromversorgung des Gerätes. Das kann ein Ladegerät für den integrierten Akku in der CO2-Ampel sein. Oder eben das Steckernetzteil. Allein um den Versicherungsschutz im Brandfall zu festigen ist eine regelmäßige Prüfung der Elektrogeräte sinnvoll. Nehmen wir an, diese Prüfung wird künftig zusammen mit den anderen Geräten erfolgen. Gut. Dann wäre der Punkt geklärt.

Angezeigte Messwerte regelmäßig prüfen lassen

Was ist mit der regelmäßigen Prüfung der angezeigten Werte der CO2-Ampel? Sensoren an Luft haben eine begrenzte Lebensdauer und zunehmende Ungenauigkeiten. Hochwertige Geräte weisen auf diese Eigenschaften in der Bedienungsanleitung hin. Auch Einweisungen durch Beauftragte oder den Hersteller klären dazu auf. Zudem berücksichtigen intelligente Sensoren oder / und Auswerteeinheiten die sogenannte Drift der Sensorik. Wer fordert dies für die Schulen ein? Wird zumindest auf die Möglichkeit einer Kalibration oder Justage der Sensorik in der Förderrichtlinie verwiesen? Nachhaltigkeit durch ordnungsgemäße Funktion und deren Erhalt? Nein!

Der Aufstellort der CO2-Ampel

Bildquelle: TU Berlin, Simulation Ausbreitung CO2 und Aerosole, Fenster gekippt

Wussten Sie, dass der richtige Aufstellort entscheidend für die Zuverlässigkeit korrekter Messwerte ist? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Vergleichen wir die CO2-Ansammlung im Raum mit Nebel aus einer Nebelmaschine. Nehmen wir weiterhin an, die CO2-Ampel im Raum könnte auch den Nebel der Nebelmaschine erfassen. Nun stellen Sie zunächst die gedankliche „NEBEL-Ampel“ ganz nah ans Fenster und beginnen Sie anschließend zu lüften. Sie werden sehen, obwohl noch Nebel im Raum ist wird Ihre „NEBEL-Ampel“ am Fenster sehr schnell signalisieren: Die Luft ist rein. Ein Problem? Ja. Die Ampel erhält durch die direkte Aufstellung am Fenster zu schnell den Eindruck, dass die Luft rein ist. Allein durch falsche Platzierung. Nun stellen Sie sich die gedankliche „NEBEL-Ampel“ in die letzte Ecke des Klassenzimmers vor. Sie werden nun viel länger lüften müssen. Und obwohl ein Großteil des Nebels schon aus dem Raum ist werden Sie in einer stillen Ecke noch immer Restnebel haben. Die Folge: Der Raum kühlt unnötig aus. Das Messgerät steht im sogenannten Lüftungsschatten. Die Kinder werden frieren.

Vorsicht bei trüben, windstillen Wetterlagen

Besonders bei stillen Wetterlagen ohne Luftbewegung ist dies gravierend. Was kann gegen Lüftungsschatten und für schnelle Lüftung getan werden? Ganz einfach: Zum Einen eine ordnungsgemäße Bedienungsanleitung die den Aufstellort der CO2-Ampel und mögliche Probleme erklärt. Zum anderen eine fachgerechte Schulung der Anwender/Innen. Und zum Dritten bei Nebellagen und windstillen Tagen eine aktive Lüftung mittels einem einfachem Ventilator Wird dies aus München eingefordert? Schulung? Praxiswissen? Handhabung? Nein!

Alarmschwellen und Interpretation der Messwerte

Kommen wir zum letzten Punkt, der bei einer CO2-Ampel problematisch ist: Die Alarmschwellen und die Interpretation der Messwerte. Laut Recherche gibt es zumindest hier ein paar Vorgaben. Aus den vorgenannten Punkten wissen wir, dass der angezeigte Wert nicht unbedingt auch der real umgebende CO2-Gehalt der Luft ist. Somit ist eine Interpretation der angezeigten Messwerte notwendig. Der in der Förderrichtlinie genannte Warnwert „ROT“ von 2.000 ppm ist aus meiner Sicht viel zu hoch. Bereits ab 1.000 ppm steigt das Infektionsrisiko für im Raum befindliche Personen massiv an. Die Luft im Raum wird spürbar unangenehm.

Selbst bauen und lernen statt kaufen

Bild zeigt Entwicklungstisch einer CO2-Ampel mit LCD-Display

Das Kultusministeriums hätte früher reagieren können. Die frühere Empfehlung zum Eigenbau von CO2-Ampeln hätte geholfen mehr Wissen zur Lage in den Klassenzimmern zu vermitteln. Und Marktengpässe zu vermeiden. Denn es ist mit moderatem Aufwand möglich eine CO2-Ampel selbst herzustellen. Fachgerechte Anleitung und Prüfung der fertigen Geräte vorausgesetzt. Ganz zu schweigen vom Gedanken der Nachhaltigkeit: Was selbst gebaut wird lässt sich meist auch selbst reparieren. # Nachtrag 09.12.2020: Es werden laut Beitrag in den Nürnberger Nachrichten (link extern) in Bayern auch die selbst gebauten CO2-Ampeln gefördert. Prinzipiell positiv. Aber wo wird im Eigenbau die Qualität und Genauigkeit geprüft? Werksmeister? Hobby-Elektriker? Oder eine externe Stelle mit kalibrierten Messmitteln? Der Eigenbau ist grundsätzlich wünschens- und fördernswert. Jedoch vermisse ich sowohl bei Fertiggeräten als auch Eigenbaulösungen eine Vorgabe durch das Kultusministerium: CO2-Ampeln müssen regelmäßig auf richtige Funktion und Messgenauigkeit überprüft werden.

Fazit zum Thema CO2-Ampeln

Die Förderung zur Beschaffung von CORONA-Ampeln ist als positiv zu werten. Die Überwachung und Verhinderung kritischer CO2-Werte bietet den Lehrkräften und Schülern langfristig das Potential für besseren Gesundheitsschutz vor Atemwegserkrankungen. Allerdings fehlt den Vorgaben der Förderrichtlinie der praktische Bezug. Der Grenzwert von 2.000ppm CO2-Gehalt ist aus meiner Sicht zu hoch. Es fehlt an Vorgaben zur Qualität der Geräte. Und zur regelmäßigen Kontrolle der Funktion und Messwerte. Zudem fehlt es an der Vorgabe zur Wissensvermittlung im Umgang mit den CO2-Ampeln. Es braucht eine wiederkehrende Anwenderschulung. Mit Blick nach vorne wäre eine Vorgabe zur Reparaturfähigkeit geboten.

Zum Schluss ein Danke

Danke an alle Leser und Beteiligten zu diesem Beitrag. Angefangen bei der CNC-Gehäusebearbeitung für den Versuchsaufbau und die Materialien. An Familie, Freunde, Verwandte und Ansprechpartner die mir Freiraum oder Unterstützung gegeben haben. Für die Zeit in den letzten Wochen für viele Stunden Recherche und zu Versuchen. Sowie ein Danke für die Antworten zu meinen zahlreichen Fragen sowie konstruktive Kritik. Mit dem Projekt CO2-Ampel habe ich viel gelernt.

2 Gedanken zu „Lösung für CO2-Problem in Schulen Pandemie 2020

  1. […] Lösung für CO2-Problem in Schulen Pandemie 2020 Kategorie: off-topic Sch […]

  2. […] überführte ich die Hardware rasch auf eine selbst entwickelte Platine, die bereits für unsere CO2-Messgeräte verwendet wird. Wie beim Arduino Uno auch kommt dort ebenfalls ein Atmega 328 PU zum Einsatz. […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert