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Der Personalmangel im Gesundheitswesen: Gestern, heute und morgen

Als Gastkommentar befasst sich der Autor heute mit dem Personalmangel im deutschen Gesundheitswesen. Dabei betrachtet er den Zeitraum der Jahre 2000 bis 2030. Nach seiner Meinung führen aktuelle staatliche Eingriffe zur Vergrößerung der bereits bestehenden Probleme. Zugleich ergeben sich nach Analyse interessante Chancen.

Als Kind durfte ich hin und wieder den Klinikbetrieb hinter den Kulissen erleben. Das war Anfang der 1990er Jahre. Damals hatten wir ca. 2.400 Krankenhäuser mit ca. 660.000 Klinikbetten in Deutschland. Die durchschnittliche Verweildauer betrug noch zwei Wochen (link destatis). Heute prüfe und repariere ich mit meinen Kollegen bundesweit Klinikbetten. Und erlebe die Entwicklung in Kliniken und Pflegeheimen an der Basis seit vielen Jahren mit.

Personalmangel zum ersten mal im Jahr 2000 erlebt

Den ersten Personalmangel im Gesundheitswesen habe ich im Jahr 2000 miterlebt. Damals leistete ich Zivildienst in einem bayerischen Krankenhaus. Statt zwei Vollzeitkräften war nur mehr eine Vollzeitkraft für die Nachtschicht auf zwei Stationen zuständig. Laut statista.de hatten wir damals ca. 4 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen.

Der Personalmangel betrifft alle Fachbereiche im Gesundheitswesen.

Im Jahr 2005 warnen Forscher vor steigendem Pflegebedarf

Als ich um das Jahr 2005 meine Weiterbildung zum staatlich geprüften Medizintechniker begann hatte Deutschland ca. 4,4 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen und ca. 2.140 Krankenhäuser bei ca. 524.000 Klinikbetten. Zu dieser Zeit warnten Forscher vermehrt vor der kommenden Zunahme an Pflegebedürftigen.

2017 Schließung Station wegen Personalmangel im Gesundheitswesen

Im Jahr 2017 erlebte ich als Medizintechniker zum ersten mal eine Schließung einer Station im Krankenhaus. Ich arbeitete damals für einen Klinikverbund nahe der tschechischen Grenze. Aufgrund Personalmangel im Gesundheitswesen wurde eine Station zweitweise geschlossen. Laut statista.de hatten wir damals 5,58 Millionen Beschäftigte im Gesundheiswesen (link statista.com). In Deutschland lebten in diesem Jahr ca. 1,5 Millionen Menschen mit der Diagnose Demenz (link statista.com). Ca 3/4 der Pflegebedürftigen wurden zu Hause gepflegt. Meist von Angehörigen. Laut statista.com (link) dauert es im Jahr 2017 fast ein halbes Jahr bis freie Stellen besetzt werden.

Seit dem Jahr 2017 nehmen Schließungen von Stationen wegen Personalmangel zu.

Die Pandemie im Jahr 2020 wirkt auf Klinik und Pflege

Im Jahr 2020 erreichte die erste Welle der Pandemie Deutschland. Dabei erfuhr ich hautnah, wie binnen weniger Tage komplette Kliniken ihren Betrieb reduzieren mussten. Zahlreiche Klinikbetten standen leer um vorsorglich Reserven zu schaffen. In Pflegeheimen wurden Menschen isoliert und Besuchsverbote erteilt. Der Ausbildungsbetrieb im Gesundheitswesen wurde schlagartig auf Distanzunterricht umgestellt. Laut destatis befanden sich im Jahr 2021 ca.105.000 Menschen in einer Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann. Zu Beginn der Pandemie hatten wir in Deutschland ca. 1.900 Klinikbetten bei ca. 5,75 Millionen Beschäftigen im Gesundheitswesen. Viele Gesundheitskräfte wechselten aufgrund der staatlichen Eingriffe in Teilzeit um ihre Kinder oder Eltern weiter betreuen zu können. Kurz zuvor erschien bei destatis die Pflegestatistik (link). Auf Seite 9 erfolgt dort der Hinweis, dass kurz vor der Pandemie ca. 4/5 der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt wurden.

2021 Überlastung durch staatliche Eingriffe

Während den Jahren 2021 und 2022 erlebte ich, wie manche Kräfte im Gesundheitswesen durch staatliche Eingriffe überlastet wurden. Dies betraf Arbeitskräfte aller Abteilungen. Durch permanente Änderungen bei Schulen und Kindergärten mussten sich Eltern sprichwörtlich zerreissen. Zugleich wurde die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger erschwert. Grenzüberschreitende Berufspendler wurden kurzzeitig ausgesperrt. Symptomlose Menschen wurden isoliert und standen somit nicht zur Verfügung. Zugleich stieg die Belastung der Kräfte durch phasenweise enormen Personalmangel und vermehrte psychische Belastung.

Einsamkeit und externer Druck während drei Jahren Pandemie

Durch Einsamkeit und Distanz wurde sowohl den Mitarbeitern als auch den Patienten eine hohe Bürde aufgelastet. Das ständige hin und her traf besonders die Mitarbeiter im Gesundheitwesen, welche bereits schon vor der Pandemie hoch belastet waren. Eltern. Pflegende Angehörige. Geringverdiener. Menschen mit Migrationshintergrund. Dies führte zu einer unsichtbaren und stillen Überlastung vieler Kräfte im Gesundheitswesen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) peilte per Pressemitteilung in Kliniken eine Impfquote von 100% an (link). Es wurde medial und politisch nicht mehr zwischen Pflege, Klinik, Heilerziehung oder Psychatrie unterschieden. Der Fokus lag rein auf den Kliniken. Die Kräfte im Gesundheitswesen jedoch hegen Interesse an gemeinsamen Austausch. Und wollen statt medialer Aufmerksamkeit in Ruhe ihre Arbeit machen. Je nach Art der Gesundheitseinrichtung gibt es große Unterschiede zu medizinischen Themen und fachlichen Methoden.

Wegen Personalmangel im Gesundheitswesen bleiben viele Klinikbetten leer.

2022 droht Personalverlust durch staatliche Vorgaben

Im Jahr 2022 trat dann ein was lange als unmöglich oder unwahr abgetan wurde: In Deutschland wurde eine einrichtungsbezogene Impfpflicht erlassen. Während Deutschland mit einer Arbeitslosenquote von ca. 5% fast von Vollbeschäftigung spricht wurde ab Mitte März 2022 ungeimpften Kräften im Gesundheitswesen zunehmend die Arbeit untersagt. Oder ihre Ablehnung mit empfindlichem Bußgeld belegt. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) haben zu dieser Zeit ca. 6% der Kräfte im Bereich Klinik keinen Impfnachweis (link). Dies entspräche hochgerechnet auf ca. 5,7 Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen ca. 340.000 Menschen.

Interesse an Abwanderung aus Gesundheistswesen steigt

In zahlreichen persönlichen Gespräche erlebe ich, wie Mitarbeiter zunehmend Arbeitsangebote fernab des Gesundheitswesens erhalten und wechselbereit sind. Einige Menschen berichten mir in vertraulichen Gesprächen über ihre Enttäuschung. Bei Manchen hatte die laute, politische Diskussion und mediale Treiberei der letzten Monate das Vertrauen und die Freude am Beruf zerstört. Von Menschen in leitenden Positionen hörte ich den Satz: „Nochmal mache ich das nicht mit“. Zugleich erfahre ich aus manchen Einrichtungen, dass die Daten aus der Umfrage der DKG erheblich von der reellen Lage abweichen könnten. Demnach läge die reelle Impfquote der Einrichtungen individuell zwischen 70% und 99%. Und wäre stark abhängig von der Art der Gesundheitseinrichtung.

„Nochmal mache ich das nicht mit.“

Ein Satz, den man im Gesundheitswesen im Jahr 2021 und 2022 häufig hört.

Sachstand während der Erstellung dieses Artikels im Jahr 2022

Während ich diesen Beitrag verfasse, verfügt Deutschland laut statista.de über ca. 15.400 Pflegeheime und 14.700 ambulante Pflegedienste. Immer häufiger erlebe ich, wie in Kliniken komplette Stationen wegen Personalmangel geschlossen werden. Ca. 5,7 Millionen Beschäftigte im Gesundheitsen stehen ca. 4 Millionen Pflegebedürftigen gegenüber. Ein hoher Anteil pflegebedürftiger Menschen wird zu Hause versorgt. Der Anteil Pflegebedürftiger entspricht somit ca. 5% der Gesamtbevölkerung (link). Ein normaler Pflegeplatz im Pflegeheim mit Pflegegrad 2 kostet in Bayern knapp unter 3.000 Euro pro Monat. Die Neubesetzung einer freien Stelle dauert länger als ein halbes Jahr. Ca. 200.000 Stellen allein im Bereich Pflege sind unbesetzt (link).

Die Pflege zu Hause wird in den kommenden Jahren zunehmen.

Prognosen erwarten erheblichen Personalmangel bis 2030

Für das Jahr 2030 sagt der Pflegereport 2030 der Bertelsmannstiftung einen Personalmangel im Gesundheitswesen von 500.000 Vollzeitkräften voraus (link). Und das bezieht sich allein auf offene Stellen bei Pflegekräften. Diese Analyse wurde vor der Pandemie erstellt. Und somit auch vor dem Erlass der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Die gleiche Anzahl für fehlende Pflegekräfte nennt statista.com (link). Laut meiner Einschätzung läuft Deutschland somit Gefahr neben voraussichtlich 500.000 fehlenden Pflegekräften bis 2030 zusätzlich aufgrund staatlicher Vorgaben im Jahr 2022 ca. 340.000 Kräfte im Gesundheitswesen insgesamt aufgrund mangelndem Impfstatus zu verlieren. Dazu kommt der Mangel in Fachkräften außerhalb des Pflegebereichs. Das könnte zu einer Lücke von gesamt einer Million Beschäftigten bis 2030 im Gesundheitswesen führen.

Grobe Berechnung für These des Autors, Personalmangel im Gesundheitswesen 2030

  • 500.000 fehlende Pflegekräfte bis 2030 laut Bertelsmannstiftung
  • 360.000 Mitarbeiter im Gesundheitswesen ohne Impfstatus bei DKG-Quote 94%
  • 140.000 fehlende Fachkräfte im Bereich Verwaltung, Service, Technik, Peripherie
  • = ca. 1 Million fehlende Fachkräfte im Gesundheitswesen insgesamt bis 2030

Ruhestand und Regionalität

Bis 2030 wird fast ein drittel der aktuell Beschäftigten im Gesundheitswesen das Rentenalter erreicht haben (link). Zur Erinnerung: Die Aus- und Weiterbildung z.B. eines Intensivpflegers dauert mindestens 5 Jahre. Ebenso lange dauert die Qualifikation eines Technikers. Die Zeit bis 2030 wird knapp. Zudem ist laut Prognosen der Bedarf an Fachkräften stark abhängig von der regionalen Anforderung. Hierzu gibt die Studie der Bertelsmannstiftung Auskunft (link).

Mehr Zuteilung von Kompetenz und Fokus auf die Kernaufgabe wünschen sich viele Mitarbeiter.

Die Lage aus Sicht der Beschäftigten

Die Prognosen für den Personalmangel im Gesundheitswesen sind sehr umfangreich und zeigen allesamt ein klares Bild. Die Anzahl pflegebedürftiger Menschen wird weiter steigen. Der demografische Wandel schreitet voran. Zunehmende Alterung wird zu mehr altersbedingten Krankheiten führen. Der Bedarf an Personal im Gesundheitswesen wird weiter hoch sein. Laut statista.com werden wir in Deutschland im Jahr 2030 bis zu 40% der offenen Stellen für Hilfskräfte in der Pflege nicht besetzen können. Ebenso werden ca. 30% bis 40% an offenen Stellen für Pflegekräfte und Ärzte unbesetzt bleiben.

Zugleich höre ich während meiner Arbeiten vor Ort zahlreiche konstruktive Vorschläge der Beschäftigten. Bereits im mittleren bis hochqualifizierten Bereich rückt der Wunsch nach finanzieller Verbesserung zugunsten anderer Interessen in den Hintergrund.

Häufige Vorschläge aus dem beruflichen Alltag

  • Mehr Zuweisung von Kompetenzen an Fachkräfte vor Ort
  • Abbau von Verwaltungsarbeit während der Pflege
  • Mehr Zeit für die Kernaufgaben
  • Gute Gestaltung der Dienstpläne mit Rücksicht auf private Belange
  • Reduktion staatlicher und medialer Bedrängung der Beschäftigten
  • Respekt für das fachlich vielfältige und intime Arbeitsumfeld im Gesundheitswesen
  • Modernisierung der technischen und baulichen Ausstattung

Fazit zum Personalmangel im Gesundheitswesen

Der demografische Wandel wird uns spürbar im Alltag begleiten. Und wir können uns bereits jetzt sinnvoll darauf vorbereiten. Zugleich ist es wichtig, öffentlich das Interesse für die Berufe im Gesundheitswesen zu fördern. Ich werde mich weiter um die Instandsetzung der Pflegebetten und Klinikbetten kümmern. Für einen Beruf im Gesundheitswesen werben. Und den Menschen vor Ort zuhören. Viele Beschäftigte wünschen sich mehr persönlichen Freiraum, moderne Ausstattung und Zuteilung von Kompetenzwerkzeugen für ihre Tätigkeit. Und das wäre ein Schlüssel für mehr Attraktivität der Berufe im Gesundheitswesen.

Weiterführende Links zum Thema Personalmangel im Gesundheitswesen

Die Internetseite https://www.pflegenot-deutschland.de/ (link) zeigt den Pflegenotstand interaktiv.

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2 Gedanken zu „Der Personalmangel im Gesundheitswesen: Gestern, heute und morgen

  1. […] kommenden Jahre im Gesundheitswesen abzeichnet. Bis zum Jahr 2030 werden laut verschiedener Studien bis zu 500.000 Pflegekräfte in Deutschland fehlen (link). Ca. 1/3 der aktuellen Kräfte wird bis dahin in Rente gehen. Die Zahl Pflegeedürftiger steigt an. […]

  2. […] Aussenstehende befremdlich. Jedoch zeigt der Film sehr gut, was in der Pflege los ist. Neben dem Personalmangel im Gesundheitswesen (link) werden humorvoll weitere Problemfelder aufgezeigt. So auch Fremdenfeindlichkeit, emotionale […]

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