Wenn Sie Ihre Aufgabe lieben. Aber Ihnen alles zunehmend egal wird. Dann könnte emotionale Erschöpfung im Spiel sein. Der Begriff compassion fatigue beschreibt, wenn engagierte Kräfte ungewollt abstumpfen. Wichtig ist, die Situation zu erkennen und für sich langfristige Wege aus dieser Krise zu finden.
Besonders die engagierten Kräfte im Gesundheitswesen wollen etwas bewegen. Und für den Menschen arbeiten. Viele Außenstehende denken beim Gesundheitswesen nur an die Beschäftigten in der Pflege. Doch ein Krankenhaus oder ein Pflegeheim besteht aus zahlreichen Bereichen. Von der Verwaltung bis zum Service. Von der Technik bis zur Küche. Mehr als 5 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland im Gesundheitswesen. Doch was passiert, wenn man im Wust von übergeordneten Vorgaben plötzlich seine Fachkompetenz nicht mehr einsetzen kann? Wenn alles nur noch verwaltet wird? Und wenn man zusehen muss, wie Patienten oder Bewohner im Besuchsverbot isoliert werden oder versterben? Oder das Privatleben Kapriolen schlägt. So haben viele die Jahre 2020 bis 2022 erlebt. Viele Beschäftigte fühlen sich abgestumpft und fragen sich, was nicht mehr stimmt.
Update Juli 2023: Der Sächsische Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und die Chemnitzer Regionaldirektion der Knappschaft-Krankenkasse führten von 2021 bis 2023 eine Studie durch. Diese Studio heißt ESCORP und wurde im Sommer 2023 veröffentlicht. Die Ergebnisse der Studie ESCORP zeigt klar die Auswirkungen einiger staatlicher Maßnahmen auf Bewohner, Angehörige und Beschäftigte. Sehr deutlich werden Erschöpfungszustände des Personals genannt.
Compassion fatigue betrifft besonders engagierte Kräfte
Die Personaldecke im Gesundheitswesen ist seit Jahren angespannt. Viele Planstellen können aufgrund des Fachkräftemangels nicht besetzt werden. Und dennoch ist es den meisten Kräften wichtig, den Patienten und Bewohnern Empathie und Gehör schenken. Mein Eindruck ist jedoch, dass bei vielen Kräften aktuell die Batterien leer sind. Und zwar nicht im Sinne von Burn-Out. Sondern durch emotionale Überlastung. Genannt auch compassion fatigue. Ein Artikel auf welt.de im Mai 2022 hat mich auf compassion fatigue aufmerksam gemacht.
Wenn sterben und menschlicher Niedergang zum Alltag wird
Für viele Menschen im Gesundheitswesen waren die ersten Monate der Pandemie ein Schock. Patienten verweigerten die Nahrungsaufnahme, da sie einsam und allein waren. Andere Patienten kamen viel zu spät und in kritischem Zustand in die Aufnahme. Manche von Ihnen haben miterlebt, wie Menschen allein im Besuchsverbot verstorben sind. Vielleicht haben Sie versucht, den Betroffenen dennoch Nähe zu geben. Um den Betroffenen das Leid erträglich zu machen. Eine letzte Umarmung in Zeiten der Distanzvorschriften. Oder ein Tupfer gegen den trockenen Mund. Während Glocke oder Piepser Sie zur nächsten Aufgabe riefen. Vielleicht haben Sie auch Kinder oder Angehörige. Die in Sucht oder Verhaltenszwänge abgerutscht sind. Und nun fühlt es sich an, als ob Ihnen das alles egal ist. Wobei Sie zugleich deswegen Schuldgefühle haben. Oder Sie denken, es sei nicht mehr Ihr Job. Was ist passiert? Es könnte compassion fatigue sein.
Sich selbst wiederfinden mit compassion fatigue
Es ist in Ordnung, wenn Sie überlegen, nun erstmal an sich selbst denken. Nur wer Kraft hat, der kann auch Kraft geben. Dazu ist es in Ordnung, sich eine Auszeit zu nehmen. Oder sich Hilfe zu holen. Der Weg aus der emotionalen Erschöpfung ist sehr individuell, braucht seine Zeit und beginnt mit dem ersten Schritt: Dem eigenen Eingeständnis.
Mein Weg aus der emotionalen Erschöpfung
Als Medizintechniker im Außendienst, Vater und Unternehmer habe ich von Anfang an ortsübergreifenden Überblick zu den Auswirkungen der Pandemieverwaltung bekommen. Durch teils sehr tiefgehende Erlebnisse in der Pandemie dachte ich nach, meinen Beruf aufzugeben. Denn ich konnte durch diese Belastungen das notwendige Engagement und die menschliche Offenheit nicht mehr geben. Es gab dazu Schlüsselerlebnisse, die erst Monate später mental zur Wirkung kamen. Meine Meldung als Helfer im Ahrtal im Herbst 2021 sollte eigentlich der Start sein, um mich von meinem Beruf zu trennen.
Freiheit, Gemeinschaft und wiederfinden von Emotion
Doch dann kam es im guten Sinne anders. Denn im Ahrtal erlebte ich im Krisengebiet wieder die Freiheit, miteinander sinnvolle Entscheidungen treffen zu dürfen. Fernab von staatlicher Planwirtschaft durfte ich meine Erfahrung im Umgang mit Menschen und Arbeit in Krisen einbringen. Teamgeist und gegenseitige Anerkennung beflügelten uns gegenseitig. Es war motivierend und lehrreich zugleich, wie unterschiedliche Bereiche und Gewerke eigenverantortlich zusammen arbeiten. Über die Erlebnisse wurde gemeinsam gesprochen. Und auch unter Männern wurden tiefe Gespräche und Emotionen zugelassen. Insgesamt war ich mehrere Wochen im Ahrtal, verteilt auf mehr als ein Jahr. Und ich spüre große Dankbarkeit für diese Zeit und für die wunderbaren Menschen dort. Diese Zeit brachte mich zurück in meinen Beruf und heraus aus der emotionalen Erschöpfung. Trotzdem braucht es nun mehr Achtsamkeit auf die eigenen Akkus. Der Weg zurück zur positiven Haltung, Eigenverantwortung und das Gefühl gemeinsam an einem Strang zu ziehen, kann helfen, compassion fatigue zu überwinden.
Die Zeit der Ahrtalhilfe brachte mich zurück in meinen Beruf und heraus aus der emotionalen Erschöpfung. Dafür bin ich dem Ahrtal mit seinen wunderbaren Menschen sehr dankbar.
Der Autor über seinen Weg heraus der emotionalen Erschöpfung, zurück in den Beruf
Weiterführende Links
Beitrag compassion fatigue, link auf welt.de, kostenpflichtig
Pressebericht MDR.de, ESCORP-Ergebnis (link)
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